Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten
Erster Theil. Von Personen und deren Rechten überhaupt. Person. §. 1. Der Mensch wird, in so fern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt. Personenrechte. §. 2. Die bürgerliche Gesellschaft besteht aus mehrern kleinern, durch Natur oder Gesetz, oder durch beyde zugleich, verbundnen Gesellschaften und Ständen. § 3. Die Verbindung zwischen Ehegatten, ingleichen zwischen Aeltern und Kindern, macht eigentlich die häusliche Gesellschaft aus. § 4. Doch wird auch das Gesinde mit zur häuslichen Gesellschaft gerechnet. § 5. Durch die Abkunft von gemeinschaftlichen Stammältern werden Familienverhältnisse begründet. § 6. Personen, welchen, vermöge ihrer Geburt, Bestimmung, oder Hauptbeschäftigung, gleiche Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft beygelegt sind, machen zusammen Einen Stand des Staats aus. § 7. Die Mitglieder eines jeden Standes haben, als solche, einzeln betrachtet, gewisse Rechte und Pflichten. § 8. Andre kommen ihnen nur in so fern zu, als mehrere derselben zusammen eine besondre Gesellschaft ausmachen. § 9. Die Rechte und Pflichten der verschiednen Gesellschaften im Staat werden durch ihr Verhältniß unter sich, und gegen das Oberhaupt des Staats, näher bestimmt. Rechte der Ungebornen. § 10. Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch den noch ungebornen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängniß. § 11. Wer für schon geborne Kinder zu sorgen schuldig ist, der hat gleiche Pflichten in Ansehung der noch in Mutter Leibe befindlichen. § 12. Bürgerliche Rechte, welche einem noch ungebornen Kinde zukommen würden, wenn es zur Zeit der Empfängniß schon wirklich geboren wäre, bleiben demselben auf den Fall, daß es lebendig zur Welt kommt, vorbehalten. § 13. Daß ein Kind lebendig zur Welt gekommen sey, ist in dieser Beziehung schon für ausgemittelt anzunehmen, wenn unverdächtige, bey der Geburt gegenwärtig gewesene Zeugen, die Stimme desselben deutlich vernommen haben. Rechte der Zwillinge. § 14. Wenn aus Einer Geburt zwey oder mehrere lebendige Kinder zur Welt kommen, so haben dieselben, in der Regel, völlig gleiche Rechte. § 15. Kommt es aber dabey auf besondre Vorrechte der Erstgeburt an, so muß der Zeitpunkt, wenn die Mutter von dem einen oder dem andern Kinde entbunden worden, genau ausgemittelt werden. §. 16. Kann diese Ausmittelung mit der erforderlichen Gewißheit nicht geschehen, so entscheidet das Loos über die Rechte der Erstgeburt. Rechte der Mißgeburten. § 17. Geburten ohne menschliche Form und Bildung haben auf Familien- und bürgerliche Rechte keinen Anspruch. § 18. In so fern aber dergleichen Mißgeburten leben, müssen sie, nach §. 11., ernährt, und so viel als möglich erhalten werden. Rechte der Zwitter. § 19. Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die Aeltern, zu welchem Geschlechte sie erzogen werden sollen. § 20. Jedoch steht einem solchen Menschen, nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre, die Wahl frey, zu welchem Geschlecht er sich halten wolle. § 21. Nach dieser Wahl werden seine Rechte künftig beurtheilt. §. 22. Sind aber Rechte eines Dritten von dem Geschlecht eines vermeintlichen Zwitters abhängig, so kann ersterer auf Untersuchung durch Sachverständige antragen. § 23. Der Befund der Sachverständigen entscheidet, auch gegen die Wahl des Zwitters, und seiner Aeltern. Unterschied der Geschlechter. § 24. Die Rechte beyder Geschlechter sind einander gleich, so weit nicht durch besondre Gesetze, oder rechtsgültige Willenserklärungen, Ausnahmen bestimmt worden. Unterschied des Alters. § 25. Wenn von den Rechten der Menschen, in Beziehung auf ihr Alter, die Rede ist, so heißen Kinder diejenigen, welche das siebente, und Unmündige, welche das vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben. § 26. Die Minderjährigkeit aber dauert, ohne Unterschied des Orts der Herkunft und des Standes, bis das vier und zwanzigste Jahr zurückgelegt ist. Unterschied der Seelenkräfte. § 27. Rasende und Wahnsinnige heißen diejenigen, welche des Gebrauchs ihrer Vernunft gänzlich beraubt sind. § 28. Menschen, welchen das Vermögen, die Folgen ihrer Handlungen zu überlegen, ermangelt, werden blödsinnig genannt. § 29. Rasende und Wahnsinnige werden, in Ansehung der von dem Unterschied des Alters abhangenden Rechte, den Kindern; Blödsinnige aber den Unmündigen gleich geachtet. § 30. Verschwender sind, welche durch unbesonnene und unnütze Ausgaben, oder durch muthwillige Vernachläßigung, ihr Vermögen beträchtlich vermindern, oder sich in Schulden stecken. §. 31. Diejenigen, welche als Verschwender gerichtlich erklärt sind, werden den Minderjährigen gleich geachtet. Vormünder und Pflegbefohlne. § 32. Diejenigen, welche wegen noch nicht erlangter Volljährigkeit, oder wegen eines Mangels an Seelenkräften, ihre Angelegenheiten nicht selbst gehörig wahrnehmen können (§. 25-31.), stehen unter der besondern Aufsicht und Vorsorge des Staats. § 33. Der, welchem der Staat die Sorge für die Angelegenheiten solcher Personen aufgetragen hat, wird Vormund genennt. Leben und Tod. § 34. Wer einmal gelebt hat, dessen Tod muß bewiesen werden, wenn über schon erworbne Sachen und Rechte desselben, als eines Verstorbnen, verfügt werden soll. § 35. Zum Beweise des Todes ist hinreichend, wenn jemand im Kriege eine schwere Wunde erhalten hat, und innerhalb eines Jahres, nach geschloßnem Frieden, von seinem Leben und Aufenthalte keine Nachricht eingegangen ist. § 36. Ein gleiches findet statt, wenn das Schiff, auf welchem ein Mensch sich befand, untergegangen ist, und drey Jahre nachher verflossen sind, ohne daß etwas von seinem Leben und Aufenthalte bekannt worden wäre. § 37. Außer diesen Fällen kann ein Mensch, der einmal gelebt hat, und dessen Tod nicht erwiesen werden kann, nur nach Ablauf der im Gesetz näher bestimmten Fristen, durch richterlichen Ausspruch für todt erklärt werden (Th. II. Tit. XVIII. Abschn. VIII.) § 38. Kommt es aber darauf an, ob jemand einen gewissen Erb- oder andern Anfall noch erlebt habe, so wird vermuthet, daß ein Mensch von dessen Leben oder Tode keine Nachricht zu erhalten ist, nur siebenzig Jahr alt geworden sey. § 39. Wenn zwey oder mehrere Menschen ihr Leben in einem gemeinsamen Unglück, oder sonst dergestalt zu gleicher Zeit verloren haben, daß nicht ausgemittelt werden kann, welcher zuerst verstorben sey, so soll angenommen werden, daß keiner den andern überlebt habe. Aeltern und Kinder. § 40. Wenn von Familienverhältnissen die Rede ist, so werden unter Aeltern und Kindern die Verwandten in auf- oder absteigender Linie, ohne Unterschied des Grads, verstanden. § 41. So lange Aeltern oder Kinder des ersten Grads leben, werden, in der Regel, unter dergleichen Benennung die Großältern und Enkel nicht mit begriffen. Blutsverwandtschaft. § 42. Personen, welche gemeinschaftliche Stammältern haben, heißen Blutsverwandte. Schwägerschaft. § 43. Die Verbindung, welche durch Heyrath zwischen dem einen Ehegatten, und den Blutsverwandten des andern entsteht, heißt Schwägerschaft. Stiefverbindungen. § 44. Stiefverbindungen bestehen, im Sinne des Gesetzes, nur zwischen einem Ehegatten, und den aus einer sonstigen Ehe erzeugten Kindern des andern. § 45. Die Grade der Verwandschaft werden durch die Zahl der Geburten bestimmt, mittelst welcher zwey verwandte Personen auf einen gemeinschaftlichen Ursprung sich beziehen.
Allgemeines Landrecht im Ganzen Allgemeines Landrecht im Ganzen
WK Schleswig-Holstein
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten
Erster Theil. Von Personen und deren Rechten überhaupt Person. §. 1. Der Mensch wird, in so fern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt. Personenrechte. §. 2. Die bürgerliche Gesellschaft besteht aus mehrern kleinern, durch Natur oder Gesetz, oder durch beyde zugleich, verbundnen Gesellschaften und Ständen. § 3. Die Verbindung zwischen Ehegatten, ingleichen zwischen Aeltern und Kindern, macht eigentlich die häusliche Gesellschaft aus. § 4. Doch wird auch das Gesinde mit zur häuslichen Gesellschaft gerechnet. § 5. Durch die Abkunft von gemeinschaftlichen Stammältern werden Familienverhältnisse begründet. § 6. Personen, welchen, vermöge ihrer Geburt, Bestimmung, oder Hauptbeschäftigung, gleiche Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft beygelegt sind, machen zusammen Einen Stand des Staats aus. § 7. Die Mitglieder eines jeden Standes haben, als solche, einzeln betrachtet, gewisse Rechte und Pflichten. § 8. Andre kommen ihnen nur in so fern zu, als mehrere derselben zusammen eine besondre Gesellschaft ausmachen. § 9. Die Rechte und Pflichten der verschiednen Gesellschaften im Staat werden durch ihr Verhältniß unter sich, und gegen das Oberhaupt des Staats, näher bestimmt. Rechte der Ungebornen. § 10. Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch den noch ungebornen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängniß. § 11. Wer für schon geborne Kinder zu sorgen schuldig ist, der hat gleiche Pflichten in Ansehung der noch in Mutter Leibe befindlichen. § 12. Bürgerliche Rechte, welche einem noch ungebornen Kinde zukommen würden, wenn es zur Zeit der Empfängniß schon wirklich geboren wäre, bleiben demselben auf den Fall, daß es lebendig zur Welt kommt, vorbehalten. § 13. Daß ein Kind lebendig zur Welt gekommen sey, ist in dieser Beziehung schon für ausgemittelt anzunehmen, wenn unverdächtige, bey der Geburt gegenwärtig gewesene Zeugen, die Stimme desselben deutlich vernommen haben. Rechte der Zwillinge. § 14. Wenn aus Einer Geburt zwey oder mehrere lebendige Kinder zur Welt kommen, so haben dieselben, in der Regel, völlig gleiche Rechte. § 15. Kommt es aber dabey auf besondre Vorrechte der Erstgeburt an, so muß der Zeitpunkt, wenn die Mutter von dem einen oder dem andern Kinde entbunden worden, genau ausgemittelt werden. §. 16. Kann diese Ausmittelung mit der erforderlichen Gewißheit nicht geschehen, so entscheidet das Loos über die Rechte der Erstgeburt. Rechte der Mißgeburten. § 17. Geburten ohne menschliche Form und Bildung haben auf Familien- und bürgerliche Rechte keinen Anspruch. § 18. In so fern aber dergleichen Mißgeburten leben, müssen sie, nach §. 11., ernährt, und so viel als möglich erhalten werden. Rechte der Zwitter. § 19. Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die Aeltern, zu welchem Geschlechte sie erzogen werden sollen. § 20. Jedoch steht einem solchen Menschen, nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre, die Wahl frey, zu welchem Geschlecht er sich halten wolle. § 21. Nach dieser Wahl werden seine Rechte künftig beurtheilt. §. 22. Sind aber Rechte eines Dritten von dem Geschlecht eines vermeintlichen Zwitters abhängig, so kann ersterer auf Untersuchung durch Sachverständige antragen. § 23. Der Befund der Sachverständigen entscheidet, auch gegen die Wahl des Zwitters, und seiner Aeltern. Unterschied der Geschlechter. § 24. Die Rechte beyder Geschlechter sind einander gleich, so weit nicht durch besondre Gesetze, oder rechtsgültige Willenserklärungen, Ausnahmen bestimmt worden. Unterschied des Alters. § 25. Wenn von den Rechten der Menschen, in Beziehung auf ihr Alter, die Rede ist, so heißen Kinder diejenigen, welche das siebente, und Unmündige, welche das vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben. § 26. Die Minderjährigkeit aber dauert, ohne Unterschied des Orts der Herkunft und des Standes, bis das vier und zwanzigste Jahr zurückgelegt ist. Unterschied der Seelenkräfte. § 27. Rasende und Wahnsinnige heißen diejenigen, welche des Gebrauchs ihrer Vernunft gänzlich beraubt sind. § 28. Menschen, welchen das Vermögen, die Folgen ihrer Handlungen zu überlegen, ermangelt, werden blödsinnig genannt. § 29. Rasende und Wahnsinnige werden, in Ansehung der von dem Unterschied des Alters abhangenden Rechte, den Kindern; Blödsinnige aber den Unmündigen gleich geachtet. § 30. Verschwender sind, welche durch unbesonnene und unnütze Ausgaben, oder durch muthwillige Vernachläßigung, ihr Vermögen beträchtlich vermindern, oder sich in Schulden stecken. §. 31. Diejenigen, welche als Verschwender gerichtlich erklärt sind, werden den Minderjährigen gleich geachtet. Vormünder und Pflegbefohlne. § 32. Diejenigen, welche wegen noch nicht erlangter Volljährigkeit, oder wegen eines Mangels an Seelenkräften, ihre Angelegenheiten nicht selbst gehörig wahrnehmen können (§. 25-31.), stehen unter der besondern Aufsicht und Vorsorge des Staats. § 33. Der, welchem der Staat die Sorge für die Angelegenheiten solcher Personen aufgetragen hat, wird Vormund genennt. Leben und Tod. § 34. Wer einmal gelebt hat, dessen Tod muß bewiesen werden, wenn über schon erworbne Sachen und Rechte desselben, als eines Verstorbnen, verfügt werden soll. § 35. Zum Beweise des Todes ist hinreichend, wenn jemand im Kriege eine schwere Wunde erhalten hat, und innerhalb eines Jahres, nach geschloßnem Frieden, von seinem Leben und Aufenthalte keine Nachricht eingegangen ist. § 36. Ein gleiches findet statt, wenn das Schiff, auf welchem ein Mensch sich befand, untergegangen ist, und drey Jahre nachher verflossen sind, ohne daß etwas von seinem Leben und Aufenthalte bekannt worden wäre. § 37. Außer diesen Fällen kann ein Mensch, der einmal gelebt hat, und dessen Tod nicht erwiesen werden kann, nur nach Ablauf der im Gesetz näher bestimmten Fristen, durch richterlichen Ausspruch für todt erklärt werden (Th. II. Tit. XVIII. Abschn. VIII.) § 38. Kommt es aber darauf an, ob jemand einen gewissen Erb- oder andern Anfall noch erlebt habe, so wird vermuthet, daß ein Mensch von dessen Leben oder Tode keine Nachricht zu erhalten ist, nur siebenzig Jahr alt geworden sey. § 39. Wenn zwey oder mehrere Menschen ihr Leben in einem gemeinsamen Unglück, oder sonst dergestalt zu gleicher Zeit verloren haben, daß nicht ausgemittelt werden kann, welcher zuerst verstorben sey, so soll angenommen werden, daß keiner den andern überlebt habe. Aeltern und Kinder. § 40. Wenn von Familienverhältnissen die Rede ist, so werden unter Aeltern und Kindern die Verwandten in auf- oder absteigender Linie, ohne Unterschied des Grads, verstanden. § 41. So lange Aeltern oder Kinder des ersten Grads leben, werden, in der Regel, unter dergleichen Benennung die Großältern und Enkel nicht mit begriffen. Blutsverwandtschaft. § 42. Personen, welche gemeinschaftliche Stammältern haben, heißen Blutsverwandte. Schwägerschaft. § 43. Die Verbindung, welche durch Heyrath zwischen dem einen Ehegatten, und den Blutsverwandten des andern entsteht, heißt Schwägerschaft. Stiefverbindungen. § 44. Stiefverbindungen bestehen, im Sinne des Gesetzes, nur zwischen einem Ehegatten, und den aus einer sonstigen Ehe erzeugten Kindern des andern. § 45. Die Grade der Verwandschaft werden durch die Zahl der Geburten bestimmt, mittelst welcher zwey verwandte Personen auf einen gemeinschaftlichen Ursprung sich beziehen.
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